Ein paar Thesen zum systemischen Beratungsansatz bei Digitalisierungsprojekten:
Wer heute ein Unternehmen erfolgreich digitalisieren will, muß Stolpersteine überwinden und andere Aufgaben lösen als noch vor einigen Jahren. Lagen früher technische Probleme im Vordergrund, müssen wir heute organisatorische und strukturelle Hürden meistern. Die Informationstechnologie hat eben – spät aber doch – mittlerweile eine gewisse Reife erreicht. Manche Digitalisierungsprojekte scheitern dadurch heute erst später, dafür umso gründlicher: auf organisatorischer und sozialer Ebene statt wie früher einfach durch technische Gebrechen. Schlecht geplante Informationssysteme gehen so doch in Produktion und verursachen gerade erst durch ihren Einsatz ungeahnten Schaden:
- umständliche Abläufe
- enorme Nebenkosten
- Einfrieren veralteter Kommunikationsmuster
- Unbeweglichkeit am Markt
- verärgerte Kunden
- frustrierte Mitarbeiter.
Früher haben wir, durch technische Zwänge eingeschränkt, vor allem die traditionellen Anwendungen zum Abrechnen, Verwalten und Kontrollieren aufgebaut. Heute ist jedoch viel mehr machbar; zeitgemäße Digitalisierung bietet qualitativ und quantitativ ganz neue Möglichkeiten. Jetzt müssen wir uns, befreit von technischen Einschränkungen, selber auf das Sinnvolle und für unsere Organisation Hilfreiche konzentrieren. Neue Anwendungen entstehen, die sich ganz nah an den Lebensnerv einer Organisation heranwagen: Anwendungen zum Verbessern unserer Produktivität, von Kommunikation und Information, Planung und Entscheidungsfindung. Intranet und Internet liefern hier vielversprechende Ansätze, die letzlich eine digitale Transformation ermöglichen.
Nach wie vor sind Informationssysteme nichts als Werkzeuge, um bestimmte Ziele einer Organisation zu erreichen, sie sind nur wirkungsvoller und damit potentiell gefährlicher geworden. Nur mit einer klaren, mit der Organisation gewissenhaft abgestimmten Zieldefinition ist Nutzen zu erzielen, und zwar durch Verbessern von Unternehmensprozessen aus Kundensicht in diesen vier Dimensionen:
- Verringern der Durchlaufzeit
- Steigern der Ergebnisqualität
- Erhöhen der Flexibilität
- Reduzieren von Kosten
Ohne klare Zieldefinition und Planung überwiegen die schädlichen Nebenwirkungen wie:
- Bedienungsfehler, Systemfehler
- demotivierte Mitarbeiter
- Fehlinformationen, Fehlentscheidungen
- ungeplante laufende Zusatzkosten
- hoher Ressourcenverbrauch
Um aber möglichst großen Nutzen zu erzielen und unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden, ist es wichtig, die zunehmende gegenseitige Beeinflussung zwischen Organisationen und den von ihnen eingesetzten Informationssystemen zu beachten. Menschen planen, bauen und nutzen die Digitalisierung, um ihre Unternehmen und Organisationsmuster iterativ zu verbessern.
Eine Organisation verwendet ihr Informationssystem als Werkzeug, um ein der komplexen Umwelt angemesseneres Organisationsmuster zu erreichen. Digitalisierung erzeugt somit, egal ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt, neues Kommunikationsverhalten in unserer Organisation und fixiert es zugleich, – ähnlich dem Bewahren von Wissen seit der Erfindung der Buchdruckerei. Daher kommt es auf eine überlegte, abgestimmte und verantwortungsbewußt geplante Architektur bei der Digitalisierung an.
Beispiele für solche geplanten oder ungeplanten Wechselwirkungen sind:
- Vernetzung von Unternehmen mittels EDI (elektronischem Datenaustausch) führt zu geänderten Arbeitsbedingungen, einem Öffnen der Unternehmensgrenzen und oft zu Kooperationen weit über den Informatikbereich hinaus.
- Der offene, dezentrale Charakter von modernen Kommunikationssystemen, Email und Internetanwendungen reibt sich anfangs oft an traditionellen Organisationsstrukturen. Ist so ein Digitalisierungsprojekt erfolgreich, kommt es meist zu tiefgreifenden Änderungen im Kommunikationsverhalten und später in der Aufbauorganisation. Im negativen Fall werden ineffiziente Abläufe schmerzlich sichtbar und ständige Konflikte lähmen die Organisation.
- Die technischen Beschränkungen der ersten EDV-Systeme hinterließen bei vielen Anwendern hartnäckige Denkmuster wie z.B. die Batch-Philosophie (Warten, bis alles zusammenkommt und dann aufwendiges periodenweises Durchführen; Monatsabschlüsse o.ä.). So wird die kontinuierliche Arbeitsweise von zeitgemäßen Intranetanwendungen mit ihrem kontinuierlichen Informationsfluß oft nicht ganz verstanden. Umständliche Abläufe auch mit neuen Systemen sind erschreckend oft zu finden.
- Unreflektiertes Rationalisieren durch Digitalisierung kann zu einer tödlichen Dequalifizierungsspirale führen: Immer mehr Entscheidungen werden automatisiert, gerade die qualifizierteren Mitarbeiter verlassen dadurch demotiviert das Unternehmen, bis schließlich auch die wenigen Experten zur Steuerung und Nutzung dieses derart zentralisierten Informationssystems fehlen.
- Im Internet entstehen ausgehend von den technischen Möglichkeiten komplett neue Interaktionsmuster und Wertsysteme zwischen einzelnen Menschen (asynchrone Kommunikation, virtuelle Teams, neue Formen von Entscheidungsfindung und sogar Rechtsprechung).
Erfolgreiche Digitalisierungsprojekte sind daher heute nur als interdisziplinäre Projekte zu sehen, in denen die technische Exzellenz eines Informatikers mit der sozialen Kompetenz eines erfahrenen Organisationsentwicklers kombiniert werden muß. Hilfreich ist hier ein ganzheitlicher systemischer Beratungsansatz, der eine Organisation und ihre Aktivitäten als komplexes vernetztes System begreift und mit Know-how und Praxiserfahrung den Akteuren zur Seite steht, bewährte Methoden einbringt und Fallstricke vermeiden hilft.